Endlich ohne Geburtsverletzungen.
Geburtsbericht
Lara´s glückliche Geburt: so viele Stolpersteine, so viel Mut.
Linas Geburt war lang und schmerzhaft. Sie hatte sich in der Nabelschnur verfangen und es wurde nach 24 Stunden eine Kiwi (das ist eine kleine Saugglocke) mit Dammschnitt eingesetzt um sie rauszuziehen. Es klingt für mich plausibel, dass mein Körper nicht auf eine natürliche Geburt vorbereitet war. Es wurde nicht in meinem Zellgedächtnis abgespeichert, da ich ja selbst ein Kaiserschnittkind bin. Dazu kamen aber sicherlich noch mehrere Faktoren, die es nicht reibungslos ablaufen ließen. Die Schmerzen empfand ich gewaltiger, als ich sie mir hätte vorstellen können. Irgendwann war ich dann alles andere als entspannt.
Wie sollte ich die lang geübte Atemtechnik und die Stimme einsetzen, so verschleimt und heiser wie ich war? Aber nichts half. Konrad würde kommen, wann er kommen wollte und ich wusste nicht wie weit kuriert ich dann sein würde. Ich musste es so annehmen.
Konrad erfüllte mir den ursprünglichen Wunsch und kam am dritten Mai.
Ich begab mich wieder ins Bett und legte mir etwas unter. Ungefähr eine Stunde später kamen die ersten Wellen. Ich begann sofort mit der Atemtechnik und den Entspannungsübungen. Von Angst und Schmerzen keine Spur. Nachdem ich geduschte hatte, auf dem Klo gewesen war und was gegessen hatte, wachte Lina gegen 6:30 Uhr auf. Um 7:30 Uhr brachte mein Mann sie zu den Nachbarn, die schon wach waren. Bisher hatte ich Wellen in regelmäßigen Abständen von circa 20 Minuten, mit denen ich sehr gut umgehen konnte. Wäre da nicht der Blasensprung gewesen, ich hätte es mir gerne noch weiterhin zuhause gemütlich gemacht. Wir trafen dann um 8:00 Uhr im Krankenhaus ein. Naja, und nun begann der Teil, der alles zum Kippen hätte bringen können.
Die Entbindungs- und Wochenbettstation war völlig überfüllt. Froh gestimmt, entspannt und glücklich, dass die Methoden so toll funktionierten, kamen wir an. Nun standen wir genau vor der Hebamme, mit der wir das Aufnahmegespräch hatten. Sie wusste also, dass wir Mentaltraining praktizierten. Sie sah uns, rümpfte die Nase und sagte doch tatsächlich: „Ihr habt euch einen schlechten Tag ausgesucht“. Unglaublich, aber leider wahr. Meine positive Einstellung war anscheinend zu groß für diesen Niederschlag und prallte an mir ab. Ich hörte mich sagen: „Ich finde es ist ein guter Tag!“.
Und das trotz der Bronchitis.
Ein Gespräch mit meiner Zimmernachbarin lässt mich im Nachhinein schmunzeln. Sie erzählte von ihrer schmerzhaften Geburt mit PDA und fragte, ob ich Schmerzen hätte. Ich antwortete mit: „Nö, ich bin wegen dem Blasensprung hier“. Sie guckte mich bemitleidet an und dachte sich wahrscheinlich, dass mir die großen Schmerzen noch bevor ständen. Sie hatte ja keine Ahnung, dass ich mich bereits mitten in der Eröffnungsphase befand. Zurück im winzigen Untersuchungsraum konnten wir zu unserem Erstaunen feststellen, dass der Wehenmesser viel längere Kontraktionen zeigte, als ich sie spürte. Ich nahm ungefähr 15 Sekunden von einer Minute Welle wahr.
Die Ärztin war uns sympathisch und zwischen dem Veratmen der Wellen nahm ich am Gespräch teil. Sie wollte mit uns über unsere Geburtswunschliste sprechen. Es gab ein paar Wünsche, die schwer zu erfüllen waren. Auf dieser Liste stand z.B. das wir das Abhören der Herztöne nicht permanent wollten. Während Linas Geburt störten mich die strammen Gurte der Abhörmuscheln sehr. Sie beeinflussten die Kontraktionen damals extrem negativ, weil sich mein Bauch nicht ausdehnen konnte. Die Chefärztin sagte, dass sie nun mal ihre Vorschriften hätte. In der letzten halben Stunde ist das kontinuierliche Abhören der Herztöne ein Muss. So fanden wir den Kompromiss, dass das Gerät mit der Hand gehalten wird. Sie wirkte sehr erfahren auf uns und erwähnte, das sie auf die Braunüle nicht bestanden hätte. Ich winkte mit der Hand in der die Braunüle bereits steckte. Im Grunde war das Gespräch gut, aber nicht zum richtigen Zeitpunkt.
Nach einer halben Stunde, gegen 12:30 Uhr kamen Wellen, die heftiger waren.
In meiner Erinnerung waren die letzten Eröffnungswehen bei Linas Geburt unbeschreiblich schmerzhaft und kamen mir unerträglich lang vor. So hatte ich auch vor jeder Wehe Angst. Diese Wellen jetzt fühlten sich natürlicher an. Irgendetwas Animalisches überkam mich. Es hatte etwas befreiendes wie Sex. Unglaublich, aber es fühlte sich tatsächlich gut an. Ich saß auf einem Gymnastikball, als mächtig viel Fruchtwasser aus mir rausschoss. Ich hatte das Gefühl das sich richtig viel tat. Mein Mann berührte mich an den Brüsten und wir knutschten wie Teenager. Das sorgte wie erhofft für tiefere Entspannung.
Die Hebamme ertastete eine Lippe, die am Gebärmuttermund ein Hindernis für das Köpfchen darstellte. Sie wollte sie bei der nächsten Welle zur Seite drücken damit das Köpfchen weiter vorkam. Da war sie wieder diese Lippe, diese Hürde, welche während Linas Geburt nicht einfach zu überwinden war. Stundenlang brauchte es bis ihr Köpfchen weiter kam. Sie hinderte Linas Köpfchen weiter zu rutschen. Auch damals drückte die Hebamme sie zur Seite wenn eine Wehe kam. Eine halbe Ewigkeit.
Mein Mann bemerkte meine Unsicherheit bezüglich dieser Lippe. Er sagte: „Mach dir keine Sorgen. Der Konrad macht das alles anders.“ Das brachte meinen Optimismus wieder zurück. Während Linas Geburt sagte mein Mann andauernd und ständig: „Du machst das gut!“ Es half mir nicht, weil es sich so anhörte als würde er es nicht wirklich so meinen. Diesmal sagte er: „Gut machst du das“ und das nur wenige Male. Ich glaubte es ihm und es gab mir Kraft. Ich bin mir sicher, dass diese kleine Verschiebung des Wortes „Gut“ schon eine Optimierung war. Kleinigkeiten machen oft einen großen Unterschied.
Um 15:30 Uhr wurde Konrad geboren.
Sofort musste er seinen Unmut über diese helle und kalte Welt hier draußen kundtun. Ich schloß ihn überglücklich in meine Arme. Auch wenn diese besonderen Erinnerungen, sich in dem Moment in dem sie passieren irgendwie unwirklich anfühlen, brennen sie sich in unser Gedächtnis. Konrad war endlich da. Die Geburt der Plazenta und das Nähen des Dammrisses vergingen dann ebenfalls ohne Schwierigkeiten. Konrad trank sofort problemlos von der Brust. Wir waren nur eine Nacht im Krankenhaus. Das aber auch nur weil die Zeit des Mindestpflichtaufenthalts nach der Geburt um 21:30 Uhr erst geendet hätte. Wir wollten, dass Lina Konrad mit aus dem Krankenhaus abholt und dafür war es schon zu spät. Einen medizinischen Grund gab es nicht im Krankenhaus zu bleiben.
Mentaltraining hat für mich funktioniert. Man muss sich allerdings darauf einlassen und auf seinen Körper vertrauen.